Präsident Putin führt seit dem 24. Februar einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der russische Überfall ist ein historischer Einschnitt. Er ist der Angriff auf die territoriale Integrität und das Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer, ein Angriff auf die Grundpfeiler der europäischen Friedensordnung und damit auch ein Angriff auf Europa und unsere Werte von Freiheit, Frieden und Demokratie.
Dieser Krieg in unserer Nachbarschaft lehrt uns, Freiheit, Frieden und Demokratie nicht mehr als so selbstverständlich anzunehmen, wie wir es lange getan haben. Es gibt diese Werte nicht umsonst. Wir müssen sie besser wertschätzen und auch bereit sein, sie zu verteidigen. Wer Demokratien entwaffnet, macht Recht und Freiheit schutzlos. Unsere Demokratie muss wehrhaft sein, nach außen und nach innen.
Der Krieg bringt Tod und unermessliches Leid über die Menschen in der Ukraine. Familien werden auseinandergerissen, Frauen, Kinder und ältere Menschen auf ihrer Flucht beschossen, Zivilisten getötet. Im Angesicht der russischen Aggression und in Angst um sich und ihre Familie, ihre Kinder, verlassen Millionen Ukrainer ihre Heimat. Wir erleben eine Massenflucht, wie sie Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr gesehen hat.
Wer vor Putin fliehen muss, ist in Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Hier sind die Menschen sicher. Wir können der Menschenverachtung von Putin und seinen Gefolgsleuten Solidarität und Nächstenliebe entgegensetzen.
Unser Land hat ein großes Herz. Die große Solidarität für die Ukrainer und das Engagement der vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bei uns in Nordrhein-Westfalen sind beeindruckend und auch berührend. Ein starkes Zeichen war zum Beispiel am 28. Februar die Friedensdemonstration in Köln mit 250.000 Menschen. Es war eine der größten Demonstrationen in der Geschichte unseres Landes. Und auch den Hilfsorganisationen, die vom ersten Tag an den Menschen in der Ukraine zu Hilfe geeilt sind, gilt unser Dank. Wer helfen kann, soll bitte auch weiter helfen. Bei den bekannten Hilfsorganisationen zählt jeder Cent.
Keiner kann die genaue Zahl vorhersehen, aber laut Schätzungen der UNHCR sind schon mehr als zwei Millionen Menschen auf der Flucht. Klar ist: Es werden viele auch zu uns nach Nordrhein-Westfalen kommen. 1.200 Menschen haben wir bislang bei uns aufgenommen. Wir wollen kurzfristig die Kapazitäten in den Landeseinrichtungen auf 25.000 Plätze hochfahren.
Damit verbunden sind große organisatorische, logistische und finanzielle Aufgaben, die nun vor uns liegen. Viele Kommunen haben ihre Bereitschaft bekundet, Flüchtlinge aufzunehmen und die Aufnahmekapazitäten auszubauen. Aber sie haben auch Sorgen. Diese Herausforderung, die aus unserer Solidarität erwächst, werden wir nur durch einen starken Schulterschluss und eine enge Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen meistern können.
Hier braucht es Klarheit bei der Aufnahme von Geflüchteten und deren Verteilung auf die Länder. Ministerpräsident Hendrik Wüst ist im regelmäßien, intensiven Austausch mit den kommunalen Spitzenverbänden. Die Landesregierung wird unsere Kommunen bei der Aufnahme der Flüchtlinge nach Kräften unterstützen – ohne Wenn und Aber. Wir lassen unsere Kommunen nicht im Stich. Als direkten Ansprechpartner für die Bezirksregierungen und Kommunen haben wir im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration den Stab „Flüchtlingshilfe Ukraine“ eingesetzt.
Die Sanktionen und mögliche Gegenmaßnahmen Russlands werden auch Auswirkungen auf unsere Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen und unsere Energieversorgung haben. Wir werden alles tun, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die Auswirkungen auf die Unternehmen, Arbeitsplätze und Haushalte möglichst gering zu halten und abzufedern.
Wir müssen raus aus der Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland. Und das so schnell es geht. Eine warme Wohnung darf nicht zum Luxus werden. Auch die Menschen in ländlichen und suburbanen Regionen müssen mobil bleiben. Oberste Priorität hat kurzfristig die Versorgungssicherheit. Es geht jetzt um pragmatische Lösungen für die Energieversorgung in den kommenden Monaten.
Für die kurzfristige Sicherstellung der Energieversorgung ist es sinnvoll, den Einsatz schwimmender LNG-Terminals zu prüfen: Flüssiggas-Tankschiffe, die mit einer Pipeline verbunden sind. Wir müssen alles daransetzen, beim Ausbau der erneuerbaren Energien schneller als bisher geplant voranzukommen. Und wir müssen Energiesicherheit stärker europäisch denken.
Wer heute so tut, als wisse er exakt, worauf es am Ende hinausläuft, der wird der Verantwortung in der neuen Realität nicht gerecht. Wir wollen langfristig Lösungen mit Substanz. Deshalb gilt in Nordrhein-Westfalen das Prinzip: Erst rechnen, dann reden. Minister Pinkwart arbeitet bereits an einem Update unserer Energieversorgungsstrategie. Jetzt ist Offenheit und Kreativität an vielen Stellen gefordert, z. B. für alle Änderungen bei der Planungsbeschleunigung und einer weiteren Entlastung bei den Energiepreisen.
Es muss für die Bürgerinnen und Bürger nun weitere Entlastungen bei den Energiepreisen geben, denn eine warme Wohnung darf auch im kommenden Winter kein Luxus werden. Deshalb haben wir mit der gemeinsamen Bundesratsinitiative von Nordrhein-Westfalen und Bayern Vorschläge für eine Energiepreisbremse gemacht: Senkung der Mehrwertsteuer auf die Heizkosten, Senkung der Stromsteuer, Senkung der Energiesteuer, dauerhafte Erhöhung des Wohngeldes und eine Erhöhung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer. Wir brauchen die Energiepreisbremse so schnell wie möglich.
Bei den Rekordpreisen an den Tankstellen müssen wir den Menschen Sicherheit und Stabilität bei den Energiepreisen geben: Wenn wir da jetzt die Steueranteile rausnehmen und so weit wie möglich reduzieren, macht das rund 50 Cent pro Liter aus. In dieser Lage darf es kein Tabu geben.
Den Preis für diesen Krieg dürfen nicht Familien, Pendlerinnen und Pendler, Mieter und Arbeitnehmer und Unternehmen in Deutschland zahlen, sondern der Aggressor Putin. Je besser wir die Belastungen für unsere Bürger abfedern, desto größer werden auch unsere außenpolitischen Handlungsspielräume gegenüber Russland.
Nordrhein-Westfalen unterstützt die Sanktionen der Bundesregierung, der Europäischen Union, der westlichen Staatengemeinschaft voll und ganz. Es handelt sich um das härteste Sanktionspaket unserer Geschichte. Die Sanktionen sind ein deutliches Zeichen der Geschlossenheit der westlichen Wertegemeinschaft. Aber die Maßnahmen und mögliche Gegenmaßnahmen Russlands werden auch Auswirkungen auf die Wirtschaft bei uns in Nordrhein-Westfalen und auf unsere Energieversorgung haben. Wir werden alles tun, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die Auswirkungen auf Unternehmen, Arbeitsplätze und Haushalte möglichst gering zu halten und abzufedern. Die Sanktionen sollen Putin und seine Clique treffen, aber nicht die Menschen hier bei uns.
Die Menschen in der Ukraine kämpfen mutig, tapfer und entschlossen für Frieden, Freiheit und für Demokratie – für die Ukraine und für Europa. Und damit kämpfen sie auch für uns. Wir stehen fest an ihrer Seite. Es braucht alle für den Frieden, doch es reicht einer für den Krieg. Putin und seine Militärmaschine können Städte in Trümmer legen, Menschen töten, aber sie können den Freiheitswillen der Menschen auf Dauer nicht brechen.
Noch eine letzte Anmerkung: Dieser Krieg ist Putins Krieg, nicht der Krieg der Russinnen und Russen. In Nordrhein-Westfalen leben etwa eine Million Menschen mit unmittelbaren familiären Bezügen zu den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Wir dürfen nicht zulassen, dass im Zuge des Krieges in unserem Land Diskriminierung und Übergriffe geschehen. Sehr viele Russinnen und Russen – ganz gleich, wo sie leben – lehnen diesen Krieg zutiefst ab.